„Von allen Branchen steht unsere am längsten still“

RA Frank Hakelberg Geschäftsführer ( DSB )

Hannover. Seit eineinhalb Jahren hindert die Corona-Pandemie die Schausteller daran, ihrer Arbeit nachzugehen. Obwohl sie die Krise – wie auch viele andere Bereiche – hart trifft, wollen die meisten nicht in ein anderes Berufsfeld wechseln. Warum das so ist, sagt Frank Hakelberg, Geschäftsführer des Deutschen Schaustellerbundes (DBS), im Interview mit dem Redaktions Netzwerk Deutschland (RND).

Herr Hakelberg, wie geht es den Schaustellern während der Corona-Pandemie und nach dem einbußreichen Jahr 2020?

Von allen Branchen steht unsere am längsten still. Die Schausteller haben auf den Weihnachtsmärkten 2019 ihr letztes Geld verdient. Sie sind seitdem zum Stillsitzen verdammt, obwohl es ihrer Natur entspricht, unterwegs zu sein und mit der eigenen Hände Arbeit Geld zu verdienen. Der Deutsche Schaustellerbund sieht diesen Stillstand mit großer Sorge. Die Überbrückungsprogramme des Staates sind enorm wichtig und kommen auch an – aber sie decken nur einen Teil der betrieblichen Kosten. Die private Lebensführung darf daraus nicht bestritten werden, hier sind viele Schausteller auch gezwungen, ihre Rücklagen fürs Alter aufzubrauchen. Das ist bitter – und wird eng.

Immer mehr große Volksfeste werden abgesagt. Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf für den Sommer 2021 ein? Gibt es noch Hoffnung?


Dass viele Veranstaltungen der ersten Jahreshälfte ausfallen werden, war angesichts der vielzitierten dritten Welle zu erwarten. Nun aber schon Feste in der zweiten Jahreshälfte aufzugeben, ist absolut verfrüht. Wir fordern auch eine differenziertere Betrachtung der Volksfeste: Ein international bekanntes Volksfest mit Millionenpublikum aus aller Welt kann man nicht mit der kleinen Familienkirmes auf dem Dorf gleichsetzen. Die Temperaturen steigen, die Impfkampagne läuft – endlich – auf Hochtouren, sodass die Inzidenzwerte hoffentlich bald deutlich sinken werden. Wir sollten abwarten und die Entscheidungen über unsere Volksfeste – also die Arbeitsplätze der Schausteller – mit Bedacht, Augenmaß und an der jeweiligen Situation orientiert treffen. Mit uns am Tisch.

Was haben Sie zu bieten?


Wir haben schon im Frühjahr 2020 Hygienekonzepte erarbeitet, dazu gehören größere Abstände zwischen den Geschäften, eine veränderte Platzarchitektur, neue Wegeführung, Desinfektionsstationen, aber auch neue Arbeitsabläufe in den Geschäften, getrennte Arbeitsbereiche und vieles mehr, um Nähe und Kontakte zu minimieren. Dass das funktioniert, haben wir schon im vergangenen Jahr bewiesen. Als Alternative zu den abgesagten traditionellen Volksfesten haben wir an einigen Orten sogenannte temporäre Freizeitparks veranstaltet, Hand in Hand mit Ordnungsamt und Gesundheitsamt.

Wie fällt ihr Fazit dazu aus?

Das war zwar nicht der gleiche wirtschaftliche Erfolg wie auf einem regulären Fest, aber die Schausteller hatten zumindest für ein paar Wochen einen Job – und die Menschen eine willkommene Abwechslung von der Corona-Monotonie. Es gab nicht einen einzigen Ansteckungsfall. Wichtig ist doch auch unser Frischluftvorteil. Die Bundesregierung spricht schon seit Monaten vom großem L für Lüften. Wir sind das „L“, wir sind immer draußen – unter freiem Himmel. Es freut uns, dass dieser wichtige Vorteil – den das RKI schon seit März vergangenen Jahres zumindest erwähnt – nun durch die beherzten Worte führender Aerosolforscher Einzug in die Diskussion hält.


Werden die Volksfeste und die Schausteller die Pandemie überleben?


In vielen Branchen wandern Menschen während der Krise in andere Berufsfelder ab. Das ist für die meisten Schausteller nicht denkbar. Schaustellerunternehmen sind Familienbetriebe, häufig geführt in der vierten, fünften oder sechsten Generation. Für sie ist das weit mehr als ein Job, es ist eine Lebensphilosophie. Sie wollen nichts anderes, beißen sich irgendwie durch die Krise durch – und kommen wieder.

In der Regel hat jedes Unternehmen einen Betriebshof, auf dem die Ausrüstung zum Saisonende Platz findet. Über den Winter wird hier repariert, geschweißt, lackiert, geputzt und gepflegt. Pflege ist das oberste Gebot in der Branche.

Schausteller müssen sich jedes Jahr aufs Neue für Plätze bewerben. Da wird auch nach Attraktivität und Erscheinungsbild des Geschäftes entschieden. All ihr Equipment ist auf Hochglanz poliert und wartet nur noch darauf, endlich wieder aus der Werkstatt geholt zu werden.

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