Sie sind unzufrieden mit den Hilfen? 

Koperek: Die Folgen des inzwischen vollständigen Lockdowns für die Veranstaltungswirtschaft sind massiv. Dass es Maßnahmen geben muss, um die weitere Ausbreitung von Corona zu verhindern, können wir alle in einem gewissen Rahmen akzeptieren und als vertretbar teilen. Die Konsequenzen sind aber nicht einmal halbwegs erträglich für uns. Die angekündigten Hilfsmaßnahmen der Regierung sind bisher zu einem großen Teil ausgeblieben. Dass von den 25 Milliarden Euro Überbrückungshilfen seit Juni 2020 nur 2,7 Milliarden. Euro ausgezahlt wurden, und von den November- und Dezemberhilfen-Budgets i.H.v. geplanten 15 Milliarden Euro bisher nur knapp 1,5 Milliarden Euro, spricht eine deutliche Sprache. Weiterhin durchs Raster fallen die soloselbstständigen Einzelunternehmer, die immer noch nicht in adäquater Weise Hilfen erhalten. Die beschlossenen Summen für Unternehmerlohn und Neustarthilfen sind nach wie vor absolut unzureichend und werden dazu führen, dass noch mehr Kolleginnen und Kollegen in die Grundsicherung fallen. Aus Sicht von Alarmstufe Rot kann es hierfür nur die Note Ungenügend geben.


 
Woran mangelt es genau?


Koperek: Es funktioniert nichts. Auszahlung der Novemberhilfen? Fehlanzeige. Dezemberhilfen? Fehlanzeige. Beantragung der Überbrückungshilfe III ? Bisher ebenfalls nicht möglich. Seit einigen Tagen sind nun gerade einmal die Rahmenbedingungen für die Überbrückungshilfe III klar. Die Rahmenbedingungen für die Programme Novemberhilfe Plus und Dezemberhilfe Plus sind nachträglich in Verlustausgleichs-Programme geändert worden. Dass es mit den Hilfen nicht klappt, verschärft unsere Situation noch einmal zusätzlich und die nachträglichen Änderungen in den Bedingungen sind natürlich mehr als nur schlechter Stil. Allerdings muss auch zugestanden werden, dass in den Programmen einige Verbesserungen eingeflossen sind, wie z.B. die freie Wahlmöglchkeit, welche Verlustmonate im Verlauf der Krise seit März 2020 für die Unterstützungsmonate herangezogen werden können.


 
Wie reagieren Sie darauf?


Koperek: Wir prüfen gerade, ob die Veranstaltungswirtschaft als Wirtschaftszweig über einen Kreis von betroffenen Unternehmen die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf juristischem Wege offen steht. Wir haben dazu bereits vor über einem halben Jahr ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, und dieses kommt zur Auffassung, dass uns Entschädigung zusteht, aber im entsprechenden infektionsschutzgesetz zum Thema Entschädigungen nichts steht. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich – auch, weil die Regierung absolut unzulänglich handelt, dass wir nun handeln müssen. Wir werden förmlich gezwungen, juristische Mittel zu nutzen. Ziel ist eine juristische Grundlagenentscheidung, um die Frage zu beantworten: Darf die Regierung über einen so langen Zeitraum Gewerbetätigkeiten untersagen und Betriebsschließungen verfügen, ohne im Infektionsschutzgesetz Entschädigungsfragen überhaupt geregelt zu haben? Aus unserer Sicht ist das Gesetz eben in diesen Punkten lückenhaft – und damit wäre es womöglich nicht verfassungskonform. Hierzu gilt es, eine grundsätzliche juristische Klärung herbeizuführen.


 
Wie bedroht sind die Unternehmen? 


Koperek: Wir sind noch etwa 20 Tage von der wieder Inkraftsetzung der Insolvenzantragspflicht entfernt, die auch wieder die bilanzielle Überschuldung umfassen wird. Ich befürchte einer erdrutschartige Pleitewelle, wenn nicht die dringend benötigten Hilfsgelder bis Mitte Januar endlich in den Betrieben ankommen. Für die Menschen in unseren Unternehmen ist das eine Katastrophe, viele sind verzweifelt. Die Politik appelliert auch an unsere Solidarität, die Maßnahmen zu Eindämmung des Infektionsgeschehens mitzutragen. Doch wenn sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier hinstellt und bis zu 50.000 Euro an Hilfen ankündigt, drei Wochen später aber 10.000 Euro bei einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern eintrudeln, dann macht das nur wütend. Es wäre wirklich gut und richtig, dass die Insolvenzantragspflicht noch einmal ausgesetzt wird. Ich hielte das für sinnvoll, insbesondere im Hinblick auf die ausstehenden Hilfszahlungen November- und Dezemberhilfe sowie Überbrückungshilfe 2 und 3. Und wenn man aufgrund der Impfkampagne in eine perspektivische Besserung kommt, muss man doch den Unternehmen weitere Hilfen geben, damit sie diesen Zeitpunkt des Restart auch erleben können. 


 


Zur Person


Tom Koperek ist Vorstandsvorsitzender des Aktionsbündnisses #AlarmstufeRot, das Mitte 2020 gegründet wurde und sich für den Erhalt der Veranstaltungsbranche einsetzt. Ende 2020 hat das Aktionsbündnis #AlarmstufeRot zudem einen gemeinnützigen Verein gegründet. Dieser soll als Plattform für unbürokratische Hilfe dienen, dort wo es am dringendsten nötig ist und keine politischen Hilfen ankommen. Der #AlarmstufeRot e.V. dient als formale Grundlage, um Spenden anzunehmen und weiterzugeben. Dank der Gemeinnützigkeit soll jeder gespendete Euro ohne Abzug dort ankommen, wo er gebraucht wird. Die Veranstaltungswirtschaft beziehungsweise Eventbranche zählt deutschlandweit mehr als eine Million Beschäftigte. #AlarmstufeRot handelt nach eigenen Angaben im Interesse von rund 9000 Unternehmen. Tom Koperek ist selbst Unternehmer und Vorstandschef der Essener LK-AG, die unter anderem Firmen bei der Präsentation auf Messen und Kongressen unterstützt. 




Wie stellt sich Alarmstufe Rot auf die Zeit ein, in der mehr Menschen geimpft sein werden?


Koperek: Wir arbeiten zurzeit an einem umfassenden Konzept und einem Stufenplan für den Restart. Der Plan wird eine Perspektive beschreiben, wie Veranstaltungen wieder möglich sind, auch unter dem Eindruck der Impfkampagne, deren Erfolg und Fortschritt. Den Restart-Plan werden wir bald der Öffentlichkeit vorstellen. Die Punkte Impfstatus, Schnelltest-Einsatz und AHA-Regeln sowie adäquate Risk-Management-Szenarien werden sicher eine Rolle spielen.


 
Wäre die Vorlage eines Impfnachweises eine Option, um Veranstaltungen nach und nach wieder möglich zu machen?


Koperek: Das ist eine komplizierte Fragestellung, weil es sehr unterschiedliche Ansichten dazu geben kann. Ich beantworte diese Frage als Person Tom Koperek: Ich werde mich impfen lassen, und dann habe ich nach meinem Rechtsverständnis auch den Anspruch, dass die weitreichenden Einschränkungen meiner Grundrechte nicht mehr auf meine Person angewendet werden dürfen. Vorausgesetzt natürlich, dass ich nicht infektiös bin und andere Menschen nicht gefährde. Ein Beispiel: Wenn Sie künftig in ein exotisches Land fahren, und dort ist ein gewisser Impfstatus vorgeschrieben – sie haben nur zwei Möglichkeiten. Entweder daheim bleiben, oder schnell eine Impfung besorgen. Jeder Einzelne muss für sich entscheiden, ob er in ein exotisches Land reisen will – oder eben z.B. an einer Veranstaltung teilnehmen möchte. Oder blicken wir in die Zukunft der Gastronomie: Darf der Chef künftig von seinen Mitarbeiter erwarten dass sie geimpft sind, weil die Gäste dies auch erwarten? Mit solchen Fragen muss man sich einfach beschäftigen, doch die Politik duckt sich hier zurzeit weg oder redet um den heißen Brei herum. Hier erwarte ich klare Positionen. Jede Einschränkung von Grundrechten muss einen triftigen und nachvollziehbaren Grund haben. Es „könnte“ reicht eben nicht.





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